Ich bin unglaublich viel gelaufen am Wochenende, u.a. mit Emile und hier auf dem Bild hatten wir eine wahnsinns Sicht auf das heilige Tal der Algonquin.
Wildnis (relativ) bis zum Horizont.
Ein geniales, langes Wochenende. Es war ja eigentlich dringlichst "empfohlen" worden einfach Zuhause zu bleiben und ich hatte mich gedanklich schon auf Kontrollstellen und ähnliches eingerichtet. Man soll seine Region nicht verlassen im Moment - idealerweise.
Aber mal ernsthaft: noch einsamer und isolierter als in der Hütte im Wald hätten wir gar nicht sein können.
Aber ich habe es kapiert, ich sitze ja auch in den Kriseninterventionsmeetings - was für ein Word falls es das wirklich gibt. Spaß beiseite. Normalerweise treffen sich die Familien in Quebec an Thanksgiving um mit der gesamten Großfamilie zu feiern. So wie Weihnachten in etwa. Das dies zu vielen großen Superspreader Events hätte führen könne war klar und deshalb wurde stark davon abgeraten die traditionelle Thanksgiving Fete zu begehen. Das wurde, meiner Beobachtung zu Folge, was Forest Lake anbelangt, auch strikt eingehalten.
Bei der Ankunft am Chalet am Freitag Abend hatte es ca. 10 Grad, dann ging die Temperatur hoch und am Samstag waren es satte 25 Grad Celsius und wir hatten nahezu Badewetter. Am Sonntag morgen dann 0 Grad Celsius - ein 25 Grad Temperatursturz über Nacht.
Ich bin stundenlang durch die Pampa gewandert und Emile ist, zu meiner Überraschung, sogar mehrmals mitgegangen und wollte, dass ich ihm ein paar Touren zeige. Es gibt ja kaum "Trails" sondern man läuft halt so im Wald, im Sumpf, über Felsen, man klettert auf, klettert ab, etc. - Orientierung ist extrem wichtig. Ich habe am Chalet so vier bis 5 Standardtouren aber man kann sich schnell und leicht verlaufen. Wie sagt man im Englischen: "we are not out of the woods yet." Den Spruch kann ich gut nachvollziehen. Ich orientiere mich in der Regel an bestimmten spezifischen Stellen, an der Himmelsrichtung oder manchmal auch an Plastikbändchen - wenn es denn welche gibt oder man sie findet. Da ich meine Standartouren schon zigmal gegangen bin, weiß ich auch wo ich in welches Tal oder über welchen Anstieg ich gehen muss und so richtig verlaufen habe ich mich in all den Jahren noch nie.
Und das kann man ja auch bei uns am See nicht wirklich denn spätestens nach zwei Stunden käme man irgendwo wieder auf einer Strasse raus oder würde auf Zivilisation stoßen. Das Chalet befindet sich ja nicht im tatsächlich menschenleeren Norden Quebecs sondern lediglich im realativ dünn besiedelten Bereich.
Das Bild haben wir für Markus gemacht. Sogar in der tiefsten Wildnis gibt es manchmal sowas wie einen Klettersteig. Allerdings ist dann gleich die Sprosse gebrochen und Emile wäre fast runter geknallt, na gut, hoch war es ja nun wirklich nicht.
Übrigens Wahnsinn was die Beiden für die Schule arbeiten. Das müssen sie von ihrer Mutter haben, von mir kann das nicht kommen😎
Wenn man in Quebec, in dem Fall oben am Chalet in den Laurentiens, im "Busch" rumhampelt dann läuft man meistens nach "Gefühl", Sonnenstand, Himmelsrichtung, etc. - Wanderpfade wie wir sie aus den Alpen oder sonstwoher kennen, mit Wegen und Auschilderung oder sogar Zeitangaben gibt es logischerweise nicht.
Man kann (oder sollte) sich zur Not die GPS Daten runterladen aber oft hast du keinen Empfang. Die Gegend ist ein absolutes Funkloch. Gelegentlich kann man sich an den sogenannten "Trailmarkern" orientieren. D.h. es gibt orangenfarbige Plastikbändchen welche an Bäumen oder Ästen hängen so alle 100 Meter vielleicht.
Wenn man auf sowas stößt, weiß man, dass man (vermutlich) auf einem Trail ist und d.h. es geht irgendwo hin. Die Tour zu den sogenannten "Cliffs", den Felsen also, wo ich die Bilder von Emile gemacht habe, ist einigermaßen "kernig". Es gibt einige recht krasse Aufstiege welche man nur im zick zack machen kann, ein paar kleine Felspassagen, Bäche müssen überquert werden, es geht manchmal durch dichtes Unterholz, Sümpfe, usw. - im Winter, mit den Schneeschuhen, geht das in der Regel viel einfacher und auch deutlich schneller. Das hängt dann allerdings auch wieder von den Schneebedingungen ab und das ist ein anderes Thema.
Eine meiner Standardtouren geht hoch zu einem kleinen wilden Bergsee. Je nach Laune kann man das ab Chalet in ca. einer Stunde hin und zurück machen falls man da direkt über einen steilen und felsigen Anstieg hochgeht oder aber über eine sogenannte "Loggingroad". Dann ist es etwas einfacher aber auch deutlich weiter und länger. Diese "Loggingroads" sind ehemalige geschlagene Schneisen der kommerziellen Holzfäller. Meistens sind sie mittlerweile wieder zugewachsen aber man kann sie oft noch "erahnen" und vor allem kann man etwas einfacher und schneller vorankommen als im "Busch".
Nach einer guten Stunde Wanderung war ich am See und bin tatsächlich einem jungen Paar begegnet. Der Mann hat mich dann, relativ freundlich, darüber aufgeklärt, dass das hier "Privatgrund" sei. Wußte ich eh, aber ich habe in all den Jahren noch nie einen anderen Menschen getroffen auf meinen Wanderungen. Noch NIE - und ich laufe oft und viel.
Ich bin dann, aus Respekt, halt einfach wieder zurück zum Forest Lake gelaufen. Wenn diese Familie tatsächlich den ganzen Grund da besitzt, inklusive der zwei Seen, dann sollte das in etwa ein Areal sein so groß wie der Grund vom Reisighof. Mindestens.
Logischerweise ist mir das wurscht ob das jetzt Privatgrund ist oder nicht - ich gehe trotzdem spazieren. Eines der großen - theoretischen - Probleme in Kanada ist, dass jeder Zipfel Urwald Privatgrund ist und somit der Zugang - theoretisch - verboten ist. Deshalb darf man eigentlich nur in die öffentlichen Parks. Aber was soll der Quatsch? Das Land ist weitestgehen unbewohnt und dann hängen da überall die "no trespassing" Schilder rum? Das hat mich noch nie gekümmert und in 24 Jahren bin ich gestern auch das erste mal tatsächlich durch Zufall auf den Besitzer des Landes gestoßen. Ich gehe davon aus, daß es auch das letzhte mal gewesen ist - die Wahrscheinlichkeit liegt bei knapp 0,1 Prozent.
Alles in Allem ein super Wochenende am See.
p.s. natürlich haben Lili und ich auch ein verlassenes und einsturzgefährdetes Haus inspiziert - Urbanexing genannt. Urbanes Explorieren.
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