Montag, 9. November 2015

Na dann, endlich bin ich Millionär - allerdings nur virtuel

Über Geld spricht man ja bekanntlich nicht ........

Also, wer mich kennt, der weiß, das war immer mein einziges Ziel im Leben. Millionär zu werden (kleiner Scherz am Rande). Allerdings zählt das heutzutage nicht mehr viel - Milliardär wäre da erheblich besser. Nun gut.

Ich muß da jetzt mal ein bißchen weiter ausholen denn es geht, im Prinzip, um Spekulation, um Verdrängung (Gentrification) und um Immobilienblasen. 

Als ich 96 angekommen bin in der Großstadt, habe ich die Miete mal kurzentschlossen ein komplettes Jahr im Voraus überwiesen. Damals hatte ich noch die "Mittel" da im öffentlichen Dienst in Deutschland (noch) ganz ordentlich bezahlt wurde und ich durch diverse Nebenverdienste noch ca. einen Tausender extra gemacht habe, pro Monat. Mein Mietanteil an der Wohnung hat mich damals ca. 400 $ pro Monat gekostet. Die Währung stand 1:1 oder sogar noch besser - aus D-Mark/Euro Sicht betrachtet. 

Ich hatte 96 alle Schulden (Bafög) abgetragen - größtenteils dank unserer Mutter - die hat da kräftig mitgeholfen und ich kam somit mit ca. 10000 $ CAN und meinem Rucksack in Montreal an. 

Hätte ich damals die 10000 $ in Apple Aktien investiert wäre ich heute echter Millionär - aber wer ist schon a) Risikobereit und b) ein Visionär?

Zurück zum Thema. 

Damals, also ganz am Anfang meines 'quebecer Abenteuers', habe ich ca. 1600 Bucks im Monat verdient. So ca. 800 Dollar zweiwöchentlich ausbezahlt, ist hier so üblich. Also zum Sterben zuviel und zum Leben zuwenig. Darin ist auch nahezu keine Altersvorsorge enthalten aber immerhin ist man (einigermaßen) krankenversichert. 

Die Immobilien hingegen waren damals relativ billig, zumindest für eine "Möchtegernmetropole" wie Montreal. D.h. es gab jede Menge ordentliche Reihenhäuser für so um die Hunderttausend und as ist ja nun wirklich nicht soviel - verglichen z.B. mit einem deutschen Einfamilienwohnhaus in mittlerer Lage. Das ist mir von Anfang an aufgefallen.

Wirtschaftlich waren damals die Stadt und auch die Provinz total im Arsch und somit gab es Häuser und Appartments ohne Ende. Anfang der 90er Jahre hat es eine Megarezession gegeben. Ich habe mich damals auch manchmal gefragt ob ich in wirklich im wirtschaftlichen Wunderland Nordamerika angekommen bin oder im Libanon nach dem Bürgerkrieg. Da fällt mir ein, daß sozusagen "um die Ecke", also in Syrien genau 20 Jahre später genau derselbe Film abläuft. Die Bilder sind absolut identisch. Häuserruinen, fliehende Zivilbevölkerung, Bombenangriffe, unterschiedliche Milizen welche sich bekämpfen und nicht so recht auseinanderzuhalten sind. Scheinbar. 

Jedenfalls sah es damals furchtbar aus in Montreal - geschlossene Läden allerorten, mit Holzplatten verschlagen, verfallende Infrastruktur, hohe Arbeitslosigkeit, bettelnde Menschen in der Straßen. Grauenvoll. Ich habe damals gedacht das "ist halt Großstadt". Wer schon mal durch München oder Boston gelaufen ist, weiß aber, dem muß so nicht sein. 

Wir, d.h. Sophie und meine Wenigkeit, sind dann damals auf die Idee gekommen einfach was zu kaufen anstelle die selbe Kohle für Miete auszugeben. Zu Zweit ging das, zwei Jobs, etc. - allein, es fehlte das passende Projekt. 

Irgendwann haben wir mit `ner Maklerin zusammengearbeitet und dann rief die mich mal an, meinte, "es wäre definitiv nicht was wir suchten aber man möge es sich doch mal ansehen", gesagt getan. 

Der "Stretch" wo sich unser Haus befindet war damals nicht angesagt, zuweit im Osten, zuweit weg von der U-Bahn (in Montreal als Metro bezeichnet), zu dicht an einer Hauptverkehrsstraße usw.. 

Wir haben die fertige Hütte dann angeguckt, wurden unfreundlich empfangen, die Böden waren krumm (ich habe immer befürchtet das, falls wir mal Kinder haben sollten, diese nie richtig laufen lernen würden da die Böden so schief sind), alles war ziemlich fertig, muß man zugeben, aber nachdem der Preis nochmal genannt wurde habe ich zu Sophie gesagt: "wir kaufen das". Ich bin handwerklich nicht gänzlich unbegabt und das kann man irgendwie "hindengeln" und dann die Lage und die Größe. Also, "lets go for it".

Als wir 1998 eingezogen sind lebten da noch etliche ziemlich "fertige" Familien. Schaut euch mal "Leolo" and - dann habt ihr eine Idee. Ein Nachbar gegenüber betrieb z.B. eine total illegale "Hinterhofautowerkstatt". Die Autos wurden im Zelt bearbeitet. Nebenan waren angeglich zwei Jahre Mädels aus dem Sexgewerbe untergebracht, schäg gegenüber wohnte ein Typ welcher sich auf den dritten Weltkrieg vorbereitete und sein ganzer Innenhof war voller Plunder. Für alle Fälle. Als ich ihn mal fragte wozu er das ganze Zeugs bräuchte, meinte er "er wäre auf alles vorbereitet". 

Diese Hütten wurden dann Ende der 90er (teilweise) von Spekulanten und/oder halt von Leuten wie Sophie und mir aufgekauft und umgewandelt oder aufgespalten und als Appartements verkauft. Montreal ist traditionell eher eine "Mieterstadt" denn eine "Eigentümerstadt". Das kommt daher, das die meisten Gebäude maximal drei Ebenen haben, zwei bis fünf Wohneinheiten beinhalten und traditionell der Eigentümer das EG bewohnt und den Rest vermietet. Es gibt also logischerweise mehr Mieter als Vermieter.
   
Die "Dinkies" - "double income no kids" - haben dann irgendwann übernommen. Oder die Hütten wurden aufgekauft, aufgeteilt, billigst zusammen "gedengelt" und dann als Appartments weiterverkauft. Da sprangen pro Wohneinheit schon mal 50000 $ heraus und das summiert sich recht schön. Der Typ von der "Zeltwerkstatt" gegenüber ist irgendwann gestorben (zuviel Abgase schätze ich, keine Absaugeinrichtung im Zelt, absoluter Wahnsinn) und ein Immobilienmakler hat die Hütte gekauft, das Teil in 5 Wohneinheiten umgewandelt, einzeln weiterverkauft und damit ein Vermögen verdient. Jedenfalls haben wir miterlebt, wie ein halbes Jahr lang, eine spanisch sprechende Gang das ganze Teil "renoviert" hat. 

Direkt nebenan wurde ein Haus "geflipt". D.h. du kaufst ne Hütte, renovierst dich billigst "durch" und verkaufst es dann sobald wie irgendmöglich mit soviel Profit wie nur irgendwie machbar. Von diesem Prinzip leben in Montreal `ne ganze Menge Leute. 

Das ist ein gängiges Prinzip, setzt aber enorm viel Eigenanteil voraus. Zwei Hausnummern weiter haben, so gegen ca. 2002, zwei schwule Schreiner (geil oder? Super Name für ne Band.) die Hälfte des Hauses gekauft, komplett renoviert und dann weiterverkauft. Die nächsten Besitzer, ein junges, nettes Ehepaar, haben dann nochmal total investiert und das Häuschen wirklich gut und, wie mir schien, teuer, totalsaniert. Dann war ihnen die Gegend scheinbar nicht prestigeträchtig genug (der Typ hat im Finanzsektor gearbeitet und ich glaube es stehen zu wenig Ferraris in unserer Straße rum - nur popelige Lexus Hybrids, BMWs und Audis oder mein gefundenes Recyclingfahrrad). 

Jedenfalls wurde das Haus danach von einem Ehepaar, welches zwei Apotheken besitzt, gekauft. Die haben die Hütte dann wieder komplett auseinander genommen und "Tabula Rasa" gemacht. Also bestimmt ca. 500000 $ Kaufpreis und nochmal 100000 $ investiert. 

Heute bin ich dann auf diese Verkaufsanzeige gestoßen, ca. 100 Meter weiter "unten" von uns aus gesehen. 

http://www.remax-quebec.com/fr/maison-a-vendre-montreal/4647-rue-cartier-plateau-mont-royal-20184575.rmx?source=centris 

Eine Million. Die Schallmauer ist durchbrochen. Der Witz ist, irgendein Idiot mit genügend Kohle wird sich finden um die Hütte für diesen Preis zu kaufen. 

Der totale Wahnsinn. 

Ich frage mich, wer hat soviel Kohle um sich diese Preise leisten zu können

Angesichts der Tatsache, daß unser Haus doppelt so groß ist, bin ich, selbst wenn wir (Sophie und ich) Halbe/Halbe machen, virtueller Millionär.  Na dann, Prost Mahlzeit. 

p.s. das ist natürlich "ironisch" gemeint, denn 

a) muß man materialisieren, d.h. verkaufen, sonst ist es eben nur virtuell und 

b) müßte man bei unserer Hütte noch ein "klein wenig" was reinstecken um auf den Standard zu kommen und 

c) nimmt dir die Steuer 50 % - dumm ist der Staat diesbezüglich nicht


Dann gibts noch einen negativen Effekt des Ganzen: die Grundsteuer, welche eh schon hammermäßig ist (knapp 4000 $ jährlich), wird weiter steigen da die Steuer aus den Mittelwerten der umliegenden Verkäufe berechnet wird. D.h. je teurer die umliegenden Häuser und Wohnungen sind, desto höher wird die Steuer angesetzt - auch absolut virtuell aber praktisch für die Stadt.















 








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