Donnerstag, 19. November 2015

Die letzten Worte - Peters Predigt



Trauergottesdienst für Margarete Müller
92 Jhr.  19.11.15 St. Johannes Trebgast

Liebe Angehörigen, liebe Gemeinde,

in einer alten Legende wird erzählt, wie ein Mensch vor die Himmelstür tritt und Gott um einen Gefallen bittet. Das Kreuz, das er auf seinen Schultern trägt, erscheint ihm zu schwer. Er möchte vom Schöpfer ein leichteres bekommen. Gott gewährt ihm die Gunst, führt ihn in einen Saal, in dem viele Kreuze aufgestellt sind – alle Größen und Sorten. Ganz hinten in der Ecke sieht der Bittsteller eines, das möchte er haben. Es glänzt von purem Gold. Aber, wie er dieses Kreuz auf seine Schultern legt, bricht er unter dem Gewicht zusammen.  
Er erkennt:
Will ich den Glanz besitzen, muß ich auch die Last mit tragen. Und so entscheidet er sich, sein altes Kreuz zu tragen.
Heute sind wir hier, um von unserer Tante Abschied nehmen.
Wir schauen zurück  auf eine lange Lebensstrecke von fast 93 Jahren. Ihr ist in ihrem langen Leben manche Last aufgebürdet worden. Doch, wir, die wir sie kannten wissen, dass sie das alles mit viel Gelassenheit und Gottvertrauen getragen hat.
Johanna Margarete Müller wurde am 4. März 1923 in Reisighof geboren. Bis auf wenige Jahre hat sie immer auf dem Reisighof gelebt. Die Kinder, die in ihrer Nähe aufgewachsen sind, deren Ehepartner mit ihren Kindern und Enkeln, für uns alle war sie die Tante.
Die Maich, wie sie manche auch nannten, war bis zu ihrem letzten Lebenstag eine sehr aufgeschlossene, weltoffene und am politischen Tagesgeschehen interessiert Frau. Auch, wer mit ihr noch in den letzten Wochen gesprochen hat, war immer wieder neu überrascht, wie sie an der Gegenwart interessiert war.
Den Menschen, den Tieren und den Pflanzen auf dem Hof galt ihre ganze Aufmerksamkeit. Vor allem ihre Blumen hat sie gepflegt und gehütet. Blumentante wurde sie deshalb auch genannt. Dabei kam es natürlich auch zu Konflikten mit den Fußball spielenden Buben, die auf ihre Pflanzen weniger Rücksicht nahmen, so dass sie manchmal den Ball versteckt hat.
Für uns war sie ein lebendiges Geschichtsbuch. Die Geschichte des Reisighofes hat sie erforscht und uns weiter gegeben. Sie konnte interessant erzählen von ihrer Kindheit und Jugend und von der schweren Zeit nach dem Krieg.
In jungen Jahren meint man manchmal diese „alten Geschichten“ nicht hören zu wollen. Heute bin ich dankbar, für all das, was sie uns erzählt hat.
Bei diesem Erzählen hat sie auch die dunklen Wegstrecken ihres Lebens nicht ausgelassen.. Sie hat aber davon nicht im Jammerton berichtet, sondern davon erzählt, dass es ihr Glaube  war, der sie durchgetragen hat.
Ich denke, es war ihr Konfirmationsspruch aus dem 2. Timotheusbrief, der so etwas, wie ein fester Anker für sie war: „Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist“. (3,14)
Bei  so einer langen Lebensstrecke bleiben am Ende die Krankheiten nicht aus. Gar manches Mal haben wir sie im Krankenhaus oder auf Reha besucht. Doch, ihr ungebrochener Lebenswille hat sie immer wieder auf die Füße gestellt. Noch einmal übe eine grüße Wiese gehen, diesen Wunsch hat sie im Vorfeld ihres 90. Geburtstages geäußert.

Und dann kam dieser letzte Sommer, wo sie so glücklich war, wieder so weit auf eigenen Füßen stehen zu können, dass sie an den vielen Sonnentagen auf der Terrasse sitzen konnte und den Blick hinüber nach Listenberg genossen hat. Der Hund und die Katze lagen bei ihr und die vielen Besucher zeugten davon, dass sie in ein großes soziales Netzwerk eingebunden war..

Wie glücklich war sie, noch die Geburt des jüngsten Reisighofer mitzuerleben und seine Taufe mitfeiern zu können.

Nicht vielen Menschen ist es in unserer Zeit vergönnt, daheim zu bleiben, auch wenn die Gebrechen zunehmen. Der Reisighof war die Heimat unserer Tante und du, liebe Marlies hast es, durch deinen unermüdlichen pflegerischen Einsatz möglich gemacht, dass es so sein konnte. Dafür gebührt dir unser Dank

Noch viel gäbe es von dem gemeinsamen Erleben mit der Tante zu erzählen. Nur noch eines. Ich erlebe das als Pfarrer sehr selten, dass ein Mensch seine eigene Beerdigung vorbereitet. Schon vor einigen Jahren hat sie zu mir gesagt: „Du hältst meine Beerdigung“ und hat mir dann einen Zettel mit ihrem Konfirmationsspruch in die Hand gedrückt.

Im 90. Psalm steht die Gebetsbitte: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden“.
Ja, es gehört zur Klugheit des Lebens dazu, dass wir den Gedanken an das Sterben nicht verdrängen. Gerade diese letzten Tage im Kirchenjahr wollen uns daran erinnern.

Es gehört aber auch zur Klugheit des Lebens dazu, dass wir eine Hoffnung haben, die über den Tod hinaus geht.
„Du kannst nicht tiefer fallen, als nur in Gottes Hand“,  werden wir dann singen.

„Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist“.
Seit unserer Taufe ist es uns anvertraut: Du gehörst nicht dem Tod, sondern dem auferstandenen Christus.
„Du aber bleibe bei dem“ Nehmen wir diesen Konfirmationsspruch von Margarete Müller für uns mit als Mahnung, unser Leben so zu gestalten, dass wir nicht auf den Tod zu leben, sondern auf die Hoffnung, die uns von Ostern her gegeben ist.

Unsere Tante, die „Maich“, sie ruhe in Frieden und das ewige Licht leuchte ihr.
Amen


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