Sonntag, 30. August 2020

Die endlose Lärmdiskussion um Motorräder - aus der SZ

 

Motorradlärm:Invasion der Biker

Motorradfahrer wieder auf Brandenburgs Straßen unterwegs

Für einige ist es das ultimative Freiheitsgefühl, für Anwohner oft eine einzige Plage: Biker auf Tagesausflug.

(Foto: dpa)

Am Wochenende, bei bestem Biergartenwetter, kommen die Motorradfahrer, und gerade auf dem Land ist die Lärmbelastung hoch. Dabei gäbe es Abhilfe. Über den ewigen Konflikt zwischen Ruhebedürfnis und Freiheitsdrang.

Von Michael Bauchmüller und Thomas Fromm

Die Eifel ist immer einen Besuch wert. Burgen, Wälder, Wiesen, dazu sanfte Hügel und Steilwände aus rötlichem Fels. Und dazwischen gut ausgebaute Landstraßen, mal in steilen Serpentinen, mal in langen Geraden. Und genau da beginnt das Problem. "Ich habe Menschen, die ziehen hier weg", sagt Marco Schmunkamp, Bürgermeister des Eifelstädtchens Nideggen, nicht weit von Köln. "Andere kriegen hier am Dienstagnachmittag ein Haus verkauft, und am Samstag fallen sie aus allen Wolken."

Am Samstag, bei gutem Wetter, kommen die Motorradfahrer. Die Deutschen, sagt der parteilose Bürgermeister, hätten ja bekanntlich zurück zur Natur gefunden. Aber gleich so? "Die knallen hier durch den Nationalpark. Und schalten dabei noch vom fünften in den zweiten Gang zurück." Dann röhrt die Maschine besonders laut.

Es ist ein Konflikt, der sich von Jahr zu Jahr mehr aufschaukelt, zwischen dem Freizeitspaß der einen und dem Ruhebedürfnis der anderen. Er spielt sich nicht irgendwo ab, sondern dort, wo Deutschland am schönsten ist: in den Voralpen, an den Küsten, den Mittelgebirgen. Bürgerinitiativen haben sich gegründet, oder die Kommunal-Initiative "Silent Rider", der auch die Stadt Nideggen angehört. Motorradfahrer wiederum fühlen sich verunglimpft und rufen zu Demos auf, teils mit Tausenden Motorrädern, wie unlängst in München und Nürnberg. Die Stimmung ist aufgeheizt, auf allen Seiten.

BMW oder Kawasaki, egal - beide erreichen im Praxistest 100 Dezibel

Denn seit einer Entschließung des Bundesrates stehen mittlerweile neben härteren Strafen auch Fahrverbote im Raum: "Für besondere Konfliktfälle", so hatte die Länderkammer im Mai gefordert, müssten auch "Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes" möglich werden. Die Freiheit, die das Motorrad für viele der Fahrer verkörpert, wäre dahin.

Wie jede Freiheit reicht allerdings auch diese nur so weit, wie sie andere nicht einschränkt. Allerdings hat der Lärm von Motorrädern viele Väter und Mütter. Da wären etwa jene Motorradbesitzer, die ihre Freiheit gerne mit einem satten Sound garnieren. Ihnen bieten sich schon bisher reichlich Möglichkeiten, ihre "Tüten" zu frisieren, vom illegalen Umbau des Schalldämpfers bis hin zum oft legalen "Klappenauspuff" - einer Art Bypass, mit dem sich der Schalldämpfer umgehen lässt.

Motorrad: Digital-Cockpit verdrängt Rundinstrumente

Kurven, Kurven, Kurven: Motorradfahrer ziehen Strecken in landschaftlich reizvollen Gegenden an - sehr zum Leidwesen der Anwohner.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa-tmn)

Selbst Motorräder, die auf dem Prüfstand alle Vorgaben erfüllen, können im Garten die Kaffeetassen klappern lassen. Der Lärm von Motorrädern wird unter Laborbedingungen gemessen; Tricksereien bei der Motor-Software nicht ausgeschlossen - wie einst bei Autoabgasen. Auch der Klappenauspuff lässt sich elektronisch je nach Fahrsituation regeln. Oder aber auf Knopfdruck vom Lenker aus.

Wie weit Soll und Haben beim Lärmpegel auseinanderliegen, hat das Umweltbundesamt unlängst untersucht. Auf einer Teststrecke maßen Experten im Auftrag der Behörde, wie viel Lärm etwa eine BMW R NineT Urban machen kann, oder eine Kawasaki Ninja ZX10R - Maschinen, die über eine reguläre Typgenehmigung verfügen, ganz unfrisiert. Das Ergebnis: Die BMW kommt unter "Worst-Case-Bedingungen" - zum Beispiel hohe Geschwindigkeit, niedriger Gang - auf knapp hundert Dezibel, die Kawasaki sogar noch leicht darüber. Das ist nicht weit von der Grenze, von der an Lärm zu schmerzen beginnt.

Modellversuch mit Motorradlärmdisplays

Seit Jahren verlangen Menschen in lärmgeplagten Gemeinden mehr Rücksichtnahme von Motorradfahren - im Bild eine Anzeigetafel, die 2017 bei Neukirchen im Bayerischen Wald aufgestellt wurde.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Deswegen plädieren auch die Experten der Dessauer Behörde für strengere Zulassungsverfahren. "Das reguläre Typprüfverfahren sollte um höhere Drehzahlen und höhere Geschwindigkeiten erweitert werden", sagt Jan Gebhardt, der sich beim Umweltbundesamt mit der Lärmminderung im Verkehr befasst. Derzeit ist bei den Tests bei 80 Kilometern pro Stunde Schluss, zugelassen ist unter den Laborbedingungen ein Wert von 77 Dezibel. Ein Ansatz wäre auch ein Grenzwert für das Standgeräusch der Maschinen. "Dann könnte etwa die Polizei leichter überprüfen, ob ein Motorrad zu laut ist oder nicht." Dass es immer noch möglich sei, selbst mit 100 Dezibel legal durch die Stadt zu fahren, sei, so ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze, auch ein Hinweis auf eine "Grauzone am Markt". Es sei an der Zeit, dass "die Verantwortlichen den Rahmen für Hersteller präzisieren und Schlupflöcher schließen".

Stattdessen ist der Kampf gegen den Lärm eine Geschichte des Vollzugsdefizits. Die Polizei kann Manipulationen an Motorrädern zwar vermuten, aber selten nachweisen. Und wenn, dann nur sehr aufwendig. Laute Raser schlüpfen durch Radarkontrollen, weil Motorräder das Nummernschild nur hinten haben und ihre Fahrer auf Fotos im Regelfall einen Helm tragen. Tempolimits wiederum lassen sich auch nicht ohne Weiteres verschärfen, zumal sie den gesamten motorisierten Verkehr beträfen. Wo sich aber Verstöße nachweisen lassen, etwa durch manipulierte Schalldämpfer, sind die Strafen überschaubar. "Die müssten meiner Überzeugung nach schmerzhafter sein als 80 oder 135 Euro, denn es handelt sich um einen erheblichen Rechtsverstoß", sagt ADAC-Mann Schulze. Andernfalls stelle sich die Frage, ob sie "bei illegalem Tuning genug abschrecken".

Motorradfahrer demonstrieren gegen Fahrverbote

Gegenprotest: Mitte Juli demonstrierten Motorradfahrer wie hier in Nürnberg gegen Pläne, an Sonn- und Feiertagen Fahrverbote zu verhängen.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Doch auf Bundesebene herrscht, was die Biker angeht, Zurückhaltung. Erst vor Kurzem etwa lud Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Vertreter der führenden Motorradverbände in sein Ministerium - zur Beruhigung. Die Biker hätten "klare Haltung" gegen Verbote und Verschärfungen gezeigt, lobte der Minister anschließend. "Das ist auch meine Haltung." Die Verbände waren zufrieden. Auch eine geplante Demo in München wurde wieder abgesagt, wegen der "sehr guten Sondierungsgespräche" mit dem bayrischen Innenministerium. "Man glaubt gar nicht, wie viele Motorradfahrer es unter unseren Anhängern gibt", räumt auch ein SPD-Parlamentarier ein. Und als der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kürzlich eine Anti-Lärm-Initiative im bergischen Wermelskirchen besuchte, tauchte überraschend eine 20-köpfige Motorradgang auf. Friedlich blieb es, nach längeren Diskussionen, trotzdem.

"Da würden die Leute am liebsten Öl auf die Straße gießen."

Doch der Unmut wächst auch in den betroffenen Gemeinden. Nideggens Bürgermeister Schmunkamp etwa kennt Rennstrecken, bei denen Biker über Funk abstimmen, ob Gegenverkehr zu befürchten ist - um dann bei freier Fahrt richtig aufzudrehen. "Da würden die Leute am liebsten Öl auf die Straße gießen", sagt er. Manchmal müsse er die Zornigen beschwichtigen, damit kein Unglück geschehe. Viele Dörfler entlang der Landstraßen fühlen sich von der Politik nicht ernst genommen. Hier die Städte mit klaren Geräuschgrenzwerten, da die Landstraßen, wo ebenfalls Menschen wohnen - es aber keinen für alle gleich verbindlichen Grenzwert und auch kein Messverfahren gibt. "Wir müssen über die Frage diskutieren, ob es jenseits des Stadtverkehrs eine Obergrenze für Fahrgeräusche geben muss", sagt ADAC-Technikchef Schulze. "Wie laut darf ein Motorrad in der Spitze sein, wenn es über die Autobahn fährt oder die Landstraße im Südschwarzwald? Das ist bis heute nicht klar definiert."

Die Eifelgemeinden preschen bereits vor - und werben mit ihrer "Silent Biker"-Initiative für eine "Schallobergrenze" von 80 Dezibel, die weder im Stand noch beim Fahren überschritten werden darf. Dafür freilich brauchen sie einen langen Atem: Denn festgelegt werden die Werte nicht national und auch nicht europäisch, sondern von der Wirtschaftskommission für Europa. Die sitzt bei den Vereinten Nationen. Das kann dauern, zumal die Hersteller alles andere als entschlossen sind, die Regeln zu verschärfen.

Doch selbst Motorradfahrer sehen, dass die lauten Bikes und Biker das Hobby aller anderen mit bedrohen. Kürzlich wandte sich der Bundesverband der Motorradfahrer deshalb in einem offenen Brief an die Industrie. Die "gesellschaftliche Akzeptanz" des Motorradfahrens sei in Gefahr, warnte der Verband. Die Industrie müsse "freiwillig" Motorräder produzieren, "die im realen Fahrbetrieb sozialverträglich leise sind". Noch aber gibt es ziemlich viele Biker, für die ist ein Motorrad erst dann ein Motorrad, wenn es auch ordentlich röhrt.

© SZ vom 22.08.2020/andl


.....................................................................................................................................

Neulich, in der Fränkischen, ist mir aufgefallen, dass nahezu alle Strecken schon auf 70kmh beschränkt waren. Die gesamte Diskussion ist aber eigentlich überflüssig da man ja durchaus leise Bikes bauen kann bzw. extrem leise Tüten existieren. Es ist ja nicht so, dass alle Motorräder laut sind: meine Montrealer BMW GS 1100 z.B. ist so leise, dass ich an der Ampel manchmal nicht weiß ob mein Motor überhaupt läuft.  

Ich kann mich noch erinnern, als ich mitten in Lakonia (New Hampshire) während der Lakonia Bike Week, an einem Fussgängerüberweg stand und eine ältere Frau blieb genau vor meiner BMW stehen und sagte: 

"sowas gibt es? Motorräder welche man nicht hört?"

Gut, die kannte natürlich auch nur Harleys. 

Es hat mich auch verdammt gewundert als BMW bei der 1200er dann die Drosselklappe eingebaut hat welche bei höherer Drehzahl den Sound deutlich erhöht. Legal. Muß das sein? Eher nicht.

Mit der APP auf dem Smartphone kann jeder Dorfpolizist mittlerweile messen ob die Kiste zu laut ist oder nicht. Dafür brauche ich keine kalibrierten TÜV zugelassenen teuren Messgeräte mehr. Soweit ich mich erinnern kann hat die Polizei in den 90er Jahren relativ gut durchgegriffen und die Mühlen sind immer leiser geworden.

Die Regensburger GS hat einen "Sportauspuff", klingt schön kernig aber nicht extrem und ich habe mal gemessen: lag deutlich unterhalb des erlaubten db Wertes. Ist aber trotzdem, im Prinzip illegal. 

Die Lösung liegt wie meistens im Kompromiss: der Gesetzgeber reguliert die Motorradhersteller und setzt es dann durch und wir Motorradfahrer bleiben respektvoll und schonen uns, alle anderen Menschen und die Umwelt. 

Ist schon mal jemand mit einem manipulierten oder nachgerüsteten Auspuff durch die Schweiz gefahren? Wohl eher nicht falls du deine Kreditkarte nicht sprichwörtlich "über Gebühren" belasten wolltest. 

So, jetzt schnappe ich mir die Lili und wir machen einen Sonntagnachmittagsausflug. Mit der ultraleisen GS welche aber, wie gesagt, schon fast wieder zu leise ist. 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.