Sonntag, 10. August 2025

Waskaganish

Erstmal ein kleiner Fahrbericht: 

Ich bin um 6 Uhr 30 morgens, pünktlich, aus Waskaganish weggekommen. Die ersten 30 km waren Asphalt, dann ca. 60 km Schotter und dann nochmal ca. 15 km Asphalt. 

Die Sonne ging gerade auf und die erste Stunde ging es in sehr milden Sonnenlicht gegen Osten. Nach ca. 30 km kommt der 50 km Abschnitt des verbrannten Waldes. Es ist zwar nur Taiga aber es sieht trotzdem apokalyptisch aus. 



Auf den ersten 100 km bis zur "Hauptstraße" haben mich zwei Pickups überholt bzw. ich habe sie vorbei gewunken weil ich es relativ langsam habe angehen lassen.  

Dann kam wieder Asphalt und ca. 250 km ohne jedwedes andere Fahrzeug. Menschenleer. Aber die Straße war gut und ich konnte mit ca. 120 km_h einen guten Schnitt fahren. 

In Matagamie habe ich einen Café getrunken und einen Tankstop gemacht. Danach kommen nochmal knapp 200 km ohne Tanke - bis Amos. Die Strasse geht ab Matagamie - mehr oder weniger - immer gerade aus. Da es keinerlei andere Fahrzeuge gibt kann man mit ca. 140 bis 160 km_h fahren - problemlos. Man muss nur immer auf potentielles "Viechzeugs" aufpassen - z.B. Fuchs oder Reh oder, im gröbsten Fall: Elch. 

Ab Amos sind es dann ca. 100 km bis Val d'Or und dann geht es ca. 250 km durch den La Vérendrye Park durch. 

Nach La Vérendrye ist es fast geschafft: noch ca. 100km bis nach Tremblant und dann bin ich schon fast am Chalet. Insgesamt 1000 km welche ich, ohne Pause und lediglich durch zwei Tankstops unterbrochen, durchgefahren bin.  

Das geht auch nur mit diesem fantastischen Motorrad. Einfach ein geiles Bike. 


Ich habe am Vorabend Yassin kennengelernt. Ein marokkanischer "Biker" welcher in Waska und in anderen Cree Communities als Labortechniker arbeitet. Voll sympathisch und super nett. Wir werden uns definitiv mal in Montreal oder in Rabat wieder treffen. 

Das Wetter war phänomenal und somit konnte ich um ca. 18 Uhr in den See springen und mir den Staub der Fahrt mit einem gepflegten Weißbier runter spülen. 

Jetzt zu meinen Eindrücken. 

Waska war nicht wirklich so wie ich mir das vorgestellt hatte. Das ganze Dorf ist komplett neu gebaut worden, die Straßen sind noch nicht ganz fertiggestellt. Es gibt ein Hallenbad (komplett neu), eine riesige Turnhalle (komplett neu), ein Hockeystadion (komplett neu), eine Feuerwehr (komplett neu), eine Polizeistation (komplett neu), eine Communit Center (komplett neu), ein Krankenhaus (komplett neu) usw., usw.!!!

Mit anderen Worten, das Dorf mit einer Größe von sagen wir mal, Stadtsteinach, oder Burgkunstadt verfügt über eine unglaubliche und super moderne Infrastruktur. D.h. eine Kleinstadt mit Schwimmbad, Turnhalle, Hockeystadion, Krankenhaus, Flugplatz, etc., etc.!

Es ist verblüffend. Das Dorf hat mich an die Modellbaueisenbahnen unserer Kindheit erinnert. So kleine Modellhäuser, irgendwie alle fast gleich und alles komplett neu. 

Es gibt definitiv mehr brandneue Pickups als Einwohner. Niemand läuft auf der Strasse oder fährt z.B. die paar Meter mit dem Fahrrad. Niemand hält sich draußen auf - oder wenn, dann nur spät am Abend und meistens nur Kinder. Angeblich wegen der freilaufenden wilden Hunde. 

Joanne und ich haben jeden Tag, auf unseren ausgiebigen Spaziergängen, säckeweise Müll aufgelesen. Plastik usw.! Wir bräuchten allerdings noch ein komplettes Jahr um Waska komplett vom Müll zu befreien - aber es wäre machbar. 

Das soll jetzt nicht gegen die Cree sprechen aber Sauberkeit und Stolz für sein Haus, seinen Garten, seinen Park und seine Stadt, oder eben das Gegenteil fallen mir immer extrem auf. In Brasilien z.B. liegt nirgendwo auch nur ein ein Blatt Papier rum. Nirgendwo. Ich sehe das in Dachau, am Reisighof, am Chalet, in Japan, Italien oder in Guatemala (Montreal ist ein großes Problem - aber wir arbeiten daran). 

Was mich zum Problem bringt: 

Verantwortung. Die Cree haben - soweit ich das sehe und beurteilen kann - durch ein Abkommen mit Québec und vor allem mit Hydro Québec - wohl erheblich "Kohle" bekommen und investieren dass jetzt in Infrastruktur, in das Sozialwesen in die Gesundheitsfürsorge, medizinische Versorgung und so weiter. Die Kohle haben sie zurecht gerichtlich erstritten weil Hydro tausende von Quadratkilometern ihres Landes überflutet hat und Jagd- und Fischgründe zerstört hat. Die Basislebensform der Cree. 

Die Frage welche ich mir stelle ist aber, sehr vereinfacht ausgedrückt, ob das Neue, das Westliche, wirklich ihr Lebensstil ist? Viele Cree leben nach wir vor vom Jagen und Fischen und bekommen, soweit ich das verstanden habe, unter bestimmten Umständen sozusagen "Sozialhilfe" falls sie ihre alte und jahrtausendealte Lebensweise weiterverfolgen wollen. Der Rest lebt ansonsten in Häusern und in einer Siedlung und in westlichen Strukturen. 67% der Cree Population ist übergewichtig und die Community hat ein großes Problem mit Diabetis. Angeblich gibt es eine genetische Disposition in Verbindung mit Bewegungsmangel und einen vollkommenen Wechsel der Ernärung - d.h. weg von der ursprünglichen Ernährung (Fisch, Wild, Früchte, etc.) hin zu produzierten Nahrungsmitteln (Hot Dogs und fritiertes Essen unter anderem). 

70 % des Personals im Gesundheitswesen (Krankenschwestern, Ärzte, Sozialarbeiter, etc.) sind "eingeflogene" Weiße (white people) welche mit horrenden Gehältern und - relativ -  angenehmen Arbeitsbedingungen nach Norden "gelockt werden".

Niemand dieser "white people" bleibt länger als ein oder maximal zwei Jahre weil kein Schwein die Einsamkeit und Abgeschiedenheit da oben auf Dauer aushält. Niemand. Es sei denn, du würdest immer nur Jagen und Fischen wollen. Vereinfacht ausgedrückt. Das können - glaube ich - nur die Cree. 

Die Cree sind reserviert aber freundlich. 

Das war mein erster Besuch in einer Cree Community aber sicherlich nicht mein letzter.  

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mittwoch, 6. August 2025

Die Cree - eine komplett andere Welt

Ich wollte schon immer mal hoch zu den Cree, habe es aber in knapp 30 Jahren niemals geschafft. Abitibi (ca. 800 km nördlich von Montreal) war meine nördlichste Erfahrung. 

Jetzt bin ich mal ziemlich weit oben und die Cree Community von Waskaganish ist erst seit ca. 2001 mit dem Auto oder Motorrad zu erreichen. Davor gab es noch keine Straße. Weiter oben an der Hudson Bay gibt es noch etliche Cree Dörfer welche nur mit dem Flugzeug zu erreichen sind. 

Seit Samstag sind wir also hier in Waska und wir kriegen einen ziemlich guten Einblick. Es verirren sich - de facto - kaum Touristen oder "Weiße" hier in die Gegend. Es gibt ja auch nichts. Denkt man. Wir sind aber durch Joannes Tochter mit etlichen Cree Freunden und Familien in Kontakt. Wir sind in ein Chalet eingeladen worden, saßen gestern Abend mit ihnen am Lagerfeuer und haben heute geräucherten Fisch mit der Community gegessen und viele Fragen gestellt und viel diskutiert. 

Dabei haben wir heute herausgefunden, dass wir mit dem Boot zu einer Polarbär Expedition hätten fahren können. Das ist Teil eines Forschungsprojektes und findet aber nur alle 10 Tage statt. Schade. 

Es gäbe jetzt viel zu berichten, aber ich muss das erstmal alles ein bißchen verarbeiten und in Kontext bringen. 





 

Morgen früh, wahrlich in aller Frühe, werde ich aufbrechen und zurück zum Chalet fahren. 1000 km Richtung Süden. Etappe 1: 340 km bis zur ersten Tankstelle in Matagami, von da aus nochmal 200 km bis zur Nächsten (Amos) und von da aus nochmal 300 km durch La Vérendrye  - ohne Infrastruktur. Wenn ich um 5 Uhr morgens los fahre könnte ich es bis ca. 19 Uhr schaffen. Es lebe die BMW GS Adventure!! 

 

 


 

Sonntag, 3. August 2025

Waskaganish - James Bay - bei den Cree

Ich bin am Donnerstag vom Büro aus ins Chalet gefahren. Dort habe ich am Freitag (tatsächlich) arbeiten können, weil mir eine Bekannte ihren Internetzugang gegeben hat und ich von ihrer Terrasse aus online gehen kann.

Am Samstag früh sind wir (Joanne mit Tochter 2 im Auto und ich mit der 1200er Adventure - interessante analogie😄) um ca. 7Uhr30 aufgebrochen. Die erste Etappe bis Val d'Or, eine Minenstadt, war mir bekannt. Es geht bis Mont Laurier und dann ca. 3 Stunden durch den Park La Vérendrye. Man tankt in Mont Laurier denn bis Val d'Or sind es ca. 350 km ohne Tankstelle. Von da aus ging es in "unbekannte Territorien".  Von Val d'Or (wo ich nochmal getankt habe und somit ca. 750 km Reichweite hatte) ging es nach Matagami. Das war schon krass weil es ab Amos ca. 200 km durch die absolute unbewohnte Pampa geht. Da gibt es absolut nichts. Aber auch schon gar nichts. Rechts und links wird der Wald total niedergemetzelt für die Papierindustrie und es sieht grauenvoll aus. Gegen 16 Uhr waren wir in Matagami (auch nur eine Minenstadt) und von da aus waren es noch 340 km bis Waskaganish. Da war ich aber schon ca. 8 Stunden auf dem Bock gesessen. Der Wahnsinn. Danach kommt man an eine Art Tor, ein Gate wo man sich einschreibt und angibt wo man hinmöchte (es gibt nur die eine Straße) und wann man so ungefähr anzukommen gedenkt. Falls man nicht auftaucht, schicken sie die "Kavallerie" oder irgendwas. Was mich irritieret hat in dem Moment war die Tatsache, dass die letzten 200km angeblich krasse Schotterpiste sein sollte und jede Menge gefährliche Holz- und sonstige Megalaster unterwegs sein sollen. Die wirbeln dann soviel Staub auf, dass du auf dem Motorrad keinerlei Sicht mehr hast und dann wird es gefährlich. Bei Dunkelheit sollte man überhaupt nicht mehr fahren und außerdem gilt es, auf Tiere zu achten. Elche, Rehe, etc.! Ich dachte "mein Gott - das könnte sich ziehen". 

Um kurz vor 20 Uhr sind wir dann in Waskaganish eingelaufen. Unfassbar. Die letzten 340 km sind tatsächlich unbewohnte Wildnis. Man befindet sich jenseits jeglicher bekannter Zivilisation und die letzten 100km auf dem Schotter waren apokalyptisch weil wir nur durch verbrannte Taiga gefahren sind. Mindestens eine Stunde ausschließlich verbrannte Wälder. Unfassbar. 

Einer der Vorteile "da oben" ist, dass es erst sehr spät dunkel wird. Die 100km Schotter waren dann, im Endeffekt, nur ca. 60 km und zudem relativ gut zu fahren - so wie meine Straßen oben am Chalet in etwa. Damit komme ich gut zurecht und kann fast 100 km_h fahren - falls ich muss. Allerdings kann immer mal ein Elch oder sonstwas kreuzen - man sollte also immer fokusiert sein. Ich bin ja diesbezügich ziemlich "schmerzfrei" aber bei dem Roadtrip war ich froh, dass ich ein "Begleitfahrzeug" dabei hatte und nicht komplett solo gefahren bin denn es gibt auch Funklöcher von ca. 200 km und man bräuchte ein Satellitentelefon. 





Ich habe geschlafen wie ein Stein und heute waren wir dann am explorieren und sind bei einer Cree Familie eingeladen gewesen. In ihrem "Chalet" am Rupert River, kurz vor der Mündung in die James Bay. Hochinteressant.

p.s. ich bin gestern ca. 1000 km im Rauch gefahren - die Sonne war nur Ansatzweise zu erkennen. Manitoba und die Prairies brennen schon wieder. Es ist echt apokalyptisch und wie ich es schon einmal angemerkt habe, wird uns, und das betrifft die nahezu gesamte Menschheit, das Problem der Klimaerwärmung bald massiv einholen. Ich habe vor zwei Jahren die verbrannen Flächen in Oregon und Washington "erfahren" und jetzt die niedergebrannten Flächen hier im Norden von Quebec. Hier oben ist das - mehr oder minder - normal weil durch Blitzschschlag schon immer Wälder verbrannt sind und somit ein sich erneurndes Ökosystem geschaffen wurde. Aber die Temperaturschwankungen sind jetzt auch im Norden viel extremer. Die Jahresdurchschnittstemperatur für August war in Waska normalerweise und historisch ca. 10 Grad. Diese Woche kriegen wir Spitzentemperaturen von ca. 30 Grad - an der James Bay!!! Das sind extreme Abweichungen von der Norm. Alter.